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Narrensage
SCHWANDORFER NARRENSAGE
Um den Hintergründen der alljährlich wiederkehrenden närrischen
Zeit in Schwandorf etwas auf die Spur zu kommen, müssen wir schon
ein paar Seiten in der, bis ins Mittelalter zurückreichenden, Schwandorfer
Ortsgeschichte zurückblättern.
Die Ortschronik führt uns zurück in die Zeit vom 13. bis ins 15.
Jahrhundert:
Von den neuen Schwandorfer Herren wird berichtet, daß sie eine Burg
besaßen, die wohl im 13. Jahrhundert auf den Kalkfelsen am Südausgang
von Oberschwandorf erbaut wurde.
An dieser Burg, die sowohl dem Schutze als auch dem Ansehen der
Schwandorfer Herren dienen sollte, fanden jene allerdings nur wenig
Gefallen. So berichtet die Ortschronik "Johann der I. hatte seinen Söhnen
die verschiedenen Burgen in seinem Herrschaftsbereich überlassen;
u. a. erhielt sein Sohn Heinrich die Burg in Schwandorf, an welcher
dieser aber keine Freude und wenig Interesse fand." (S. 33).
Wir wissen nur wenig aus jenen Jahren - Aussagen wie die vorangegangenen
und Hinweise darauf, daß die Besitzer der Burg häufig
wechselten, lassen aber darauf schließen, daß das Leben in der
Burg sehr unbehaglich gewesen sein muß. Dies nicht nur wegen
der langen und kalten Winter, wo man im Rauch und Dämmerlicht sitzen
mußte, wo Regen, Schnee und heftige Stürme durch die Fugen hereinfegten
und die Tage und Nächte zum Graus der Schwandorfer Herren
machten.
Darüber hinaus mußte es mit der Schwandorfer Burg auch noch eine
ganz besondere Bewandtnis haben. Mündlichen Überlieferungen zufolge
mußten nachts wüste, garstige alte furchterregende Hexen erschienen
sein, die mit lautem Geschrei durch die Gänge und Bögen der Burg
zogen, fürchterlichen Gestank verbreiteten und den Bewohnern das
Fürchten lehrten.
Und es wird auch noch von anderen geheimnisvollen Mitbewohnern berichtet,
die man fast nie zu Gesicht bekam, deren Anwesenheit aber immer deutlich
zu spüren war. Es gingen Krüge und Schalen zu Bruch, Türen und Fenster
öffneten und schlossen sich, Gegenstände bewegten sich von alleine,
Kleidungsstücke waren plötzlich verschwunden und kurze Zeit später
wieder da, und das schelmische Lachen und Tuscheln war in jedem Winkel
der Burg zu hören
Um diesen unerklärlichen Vorkommnissen auf den Grund zu gehen, sandte
Heinrich von Schwandorf Boten aus, im ganzen Land nach Ratgebern zu
suchen, die die Geschehnisse auf der Burg erklären könnten.
Nach Monaten des Wartens kamen die Boten endlich zurück, und die nach
Norden Gesandten brachten die Kunde: die kleinen Wesen in der Burg,
die nichts als Schabernack im Sinn hatten, seien "Wichtel".
Und die Boten hatten auch ein Rezept mitgebracht, das den Bewohnern
der Burg Linderung gegen die Qualen der Wichtel versprach.
Dieses Rezept gab der Burgherr an die in der Siedlung um die Burg
ansässigen Kräuterweiber und Kräutermänner weiter. Diese nahmen sich schon
immer mit Kräutern, Salben und Extrakten der Gesundheit und der Seele der
Menschen an.
Diese sammelten alle Kräuter und Zutaten und brauten einen wohlschmeckenden
Kräutertrunk, dem sie den Namen "Wichteltrunk" gaben.
Dieses Gebräu war von den Burgherren zur Linderung ihrer Qualen sehr
geschätzt - leider war seine Wirkung aber nur von kurzer Dauer.
Irgendwann wurde so den Burgherren Spuk und Schabernack zuviel und
sie verließen die Burg für immer.
Der Verkauf der Burg im 15. Jahrhundert an Herzog Sigismund von Österreich
ist das letzte Geschehnis, das von der Burg berichtet wird.
Sie war wohl nicht mehr bewohnt, so daß sie mehr und mehr verfiel.
Heute ist von einer Burg nicht mehr viel zu erkennen, nur noch der
wild verwuchterte, mit Gras, Sträucher und Bäumen zugewachsene
Kalkfelsen erinnert an die Zeit von damals.
Aber die Vergangenheit ist nicht ganz tot - jedes Jahr um das Ende der
Winterszeit erwachen die Gestalten und Figuren von damals zum Leben.
Die gar schaurigen Hexen treiben ihr Unwesen im ganzen Dorf, die Burgwichtel
machen ihre Späße und ihren Schabernack mit jedem, der ihnen
über den Weg läuft. Die Kräuterweible und ihre Männer versuchen auch
noch heute, Seele und Gesundheit der Menschen zu kurieren und ihnen
mit dem von Generation zu Generation vererbten, geheimnisvollen Rezept
des Wichteltrunks Linderung zu verschaffen.
Überarbeitete Fassung vom August 1991
Historische Hintergründe stützen sich auf „ Beiträge zur Geschichte von Schwandorf„ von Heinrich
Heidegger 1972; Hegau Bibliothek Band 23
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